Wissen, was die Stunde geschlagen hat.
15.11.2020 (Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres), Lukas 16,1-8
15.11.2020 (Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres), Lukas 16,1-8
Der heutige Predigttext steht im Lukasevangelium.
Jesus erzählt ein Gleichnis, eine erfundene Geschichte mit einem Vergleichspunkt. Ich lese zunächst nur die ersten Verse, Lukas 16, 1-2 (Basis-Bibel)
161Dann sagte Jesus zu den Jüngern:
»Ein reicher Mann hatte einen Verwalter.
Über den wurde ihm gesagt, dass er sein Vermögen verschwendete.
2Deshalb rief der Mann den Verwalter zu sich und sagte zu ihm:›Was muss ich über dich hören? Lege deine Abrechnung vor!
Du kannst nicht länger mein Verwalter sein.‹
Liebe Schwestern und Brüder,
man muss wissen, wann Schluss ist; man muss wissen, was die Stunde schlägt.
Der heutige Volkstrauertag, der von 100 Jahren nach dem ersten Weltkrieg eingeführt wurde, mahnt zum Frieden, zu Verständigung und zur Gemeinsamkeit.
Es ist nicht die Stunde der Kleinstaaterei und der nationalen Alleingänge.
Wie unsäglich, wenn Staaten und Despoten immer noch Kriege anzetteln, um sich Vorteile zu verschaffen, um alte Rechnungen zu begleichen und neue aufzumachen.
Dabei bräuchten die heutigen Herausforderungen der Pandemie und des Klimaschutzes die gemeinsamen Anstrengungen aller.
Zur Gedenkstunde zum Volkstrauertag heute Mittag im Bundestag hat der Bundespräsident den britischen Thronfolger Prinz Charles eingeladen. Erstmals spricht 75 Jahre nach Kriegsende ein Angehöriger des britischen Königshauses im Bundestag.
Das ist sicher auch gedacht als ein Brückenschlag und Zeichen gegen nationale Sonderwege. Das ist ein gutes Zeichen. Es gibt viele gute Zeichen.
Es ist gut, dass Europa die Verteilung eines Impfstoffes gemeinsam regelt.
Gut, das der kommende amerikanische Präsident dem Pariser Klimaschutzabkommen wieder beitreten möchte.
Man muss wissen, was die Stunde schlägt. Man muss wissen, wann Schluss ist.
Das weiß auch der Verwalter im Gleichnis.
Nachdem er von dem Besitzer die Aufforderung erhalten hat, die Abrechnung vorzulegen, erkennt er, dass Schluss ist und was die Stunde schlägt.
Egal, ob das, was man über ihn sagt, stimmt oder nicht. Er weiß, dass er da nicht mehr raus kommt und eine Lösung für sich finden muss.
Wir hören in der Bibel öfter von solchen Großgrundbesitzern, die ganz woanders wohnen, vielleicht in einer Villa am Meer, und ihre Geschäfte einem Verwalter übergeben.
Von Zeit zu Zeit kommen sie vorbei, um ihre Gewinne abzuholen. Offensichtlich sah der Verwalter bei diesem Besitzer keinen Spielraum für Verhandlungen. Es war Schluss und er musste sich was einfallen lassen.
Vers 3 – 8
3 Da überlegte der Verwalter: ›Was soll ich nur tun?
Mein Herr entzieht mir die Verwaltung. Für schwere Arbeit bin ich nicht geeignet. Und ich schäme mich, betteln zu gehen.
4 Jetzt weiß ich, was ich tun muss! Dann werden mich die Leute in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich kein Verwalter mehr bin.‹
5 Und er rief alle einzeln zu sich, die bei seinem Herrn Schulden hatten.
Er fragte den Ersten: ›Wie viel schuldest du meinem Herrn?‹
6 Der antwortete: ›Hundert Fässchen Olivenöl.
‹Da sagte der Verwalter zu ihm: ›Hier ist dein Schuldschein. Setz dich schnell hin und schreib fünfzig!‹
7 Dann fragte er einen anderen: ›Und du, wie viel bist du schuldig?
‹Er antwortete: ›Hundert Sack Weizen.
Der Verwalter sagte: ›Hier ist dein Schuldschein, schreib achtzig!‹
8 Und der Herr – also Jesus – lobte den betrügerischen Verwalter, weil er so schlau gehandelt hatte.
Denn die Kinder dieser Welt sind schlauer im Umgang mit ihren Mitmenschen als die Kinder des Lichts.
Wir sind überrascht oder sogar irritiert. Jesus lobt den betrügerischen Verwalter.
Jesus wartete öfter mit solchen haarsträubenden Geschichten auf.
Er erzählt von einem Richter, der einer Frau nur deshalb Recht gibt, weil er sich vor ihren Attacken fürchtet.
Oder von einem Vater, der seinen jüngeren Sohn, der die Hälfte seines Erbes verschleudert hat, ohne Vorwürfe wieder bei sich aufnimmt.
Man braucht etwas … Humor, etwas Freude am um die Ecke denken, um zu merken, worum es Jesus geht und auch, welche Befreiung in diesen Gleichnissen liegt.
Jesus lobt den ungerechten Verwalter ja nicht wegen seiner Ungerechtigkeit. Die wird beim Namen genannt, aber um diese geht es überhaupt nicht. Wie bei den meisten Gleichnissen gibt es nur einen Punkt, auf den es ankommt und man sollte gar nicht all die anderen Details der Geschichte auf das Leben anwenden wollen. Jesus lobte den betrügerischen Verwalter, weil er so schlau gehandelt hatte. Gelobt wird die Klugheit.
Davon – und auch nur davon – sollt ihre Euch eine Scheibe abschneiden, sagt Jesus. Ihr seid Kinder des Lichts, nicht ein Kind dieser Welt wie der Verwalter.
Aber müssen die Kinder des Lichts dümmer sein? Nein. Seid schlau, seid klug, nutzt euren Verstand, nutzt eure Gaben, ergreift die Chance, habt Mut.
Der Verwalter wusste, wann Schluss ist, er wusste, was die Stunde geschlagen hatte und hat gehandelt, solange es seine Position noch zuließ.
Er baute sich ein Netzwerk auf, das ihm helfen sollte, in der folgenden Lebensphase gut zurecht zu kommen.
Auch die Kinder des Lichts sollen gute Netzwerker sein, sollen mit wachem Auge sehen, jetzt dran ist und mutig Entscheidungen treffen.
Dieser Bibeltext hat seinen Platz nicht zufällig an diesem vorletzten Sonntag des Kirchenjahres.
In diesem Satz „Lege deine Abrechung vor“ klingt der Wochenspruch aus dem 2. Korintherbrief an: „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“
Auch in dieser Hinsicht heißt es: Wissen, was die Stunde geschlagen hat. Wissen, dass wir Rechenschaft ablegen müssen über unser Leben. Eigentlich ja jeden Tag, denn niemand weiß, wann die Stunde kommt.
Ist das ein beängstigender Gedanke?
Das braucht er nicht zu sein, wenn wir heute in Verbindung mit Gott leben.
Ist es nicht beste, was uns passieren kann, dass wir von dem Richterstuhl Christi stehen?!
Jesus ist es, der unser Leben sieht. Er ist nicht nur Richter, er ist zugleich auch der Retter. Er ebnet uns durch sein Leiden, Sterben und Auferstehen den Weg zu Gottes Gnade.
Ja, ich will viel lieber vor dem Richterstuhl Christi stehen also vor dem Richterstuhl der Presse oder der Nachbarn oder von wem auch immer mich beguckt und beurteilt fühle.
Wir leben von der Barmherzigkeit Gottes, wir sterben in der Gnade von Christus.
So muss der Satz „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“ nichts beängstigendes haben.
Im Geist Christi soll uns nicht Furcht leiten, sondern Klugheit, Wachheit, Mut.
Nutzen wir die Möglichkeiten, die sich uns bieten.
Nehmen wir die Herausforderungen an, die uns vor die Füße gelegt werden.
Die Kinder des Lichts sind nicht dümmer als die Kinder der Welt.
A m e n
Christoph Huss