An der Seite des Gewinners
05.07.2020 (4. Sonntag nach Trinitatis), Röm. 12, 17-21
05.07.2020 (4. Sonntag nach Trinitatis), Röm. 12, 17-21
Paul Klee: The Lamb, 1920 (Public domain)
Hören wir einen Abschnitt aus dem Römerbrief, Kapitel 12:
17 Vergeltet niemandem Böses mit Bösem.
Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann.
18 Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.
19 Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben (5.Mose 32,35): »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.«
20 Vielmehr, »wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln« (Sprüche 25,21-22).
21 Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.
Liebe Schwestern und Brüder,
ich habe überlegt, was ich an Bösem erlebe?
Mir fielen aber erst einmal nur gute Dinge ein.
Vorgestern feierte aus dem Zinzendorfplatz unter meinem Fenster ein Schulklasse ihren Abschluss, jedenfalls vermutete ich das.
Ich dachte, wie wird das nachher aussehen, wenn Sie den ganzen Müll liegenlassen.
Als ich ein halbe Stunde später aus dem Fenster schaute, hatte die Gruppe den Platz verlassen und …
es war kein einziges Papierchen zu sehen. Meine Sorge war unberechtigt.
Oder:
Am Mittwoch habe ich mir eine Talkshow angeschaut zu der Frage, ob die Pandemie und die Maßnahmen zur Ihrer Eindämmung zu einer Spaltung der Gesellschaft beiträgt.
Ich wollte nur schauen, wer eingeladen ist.
Das Übliche sich-ins-Wort-fallen und polarisieren wollte ich mir ersparen.
Doch dann konnte ich erleben, wie die beiden Ministerpräsidenten unterschiedlicher Parteien sich zu verstehen suchten anstatt einander vorzuführen.
Die zugeschaltete Publizistin brachte ihre kritischen Anfragen differenziert und durchdacht vor, die beteiligten Fachleute konnten kompetent erklären und offenlassen, was nicht klar ist.
Die Herausforderungen für unsere Gesellschaft wurden in einer wohlwollenden Atmosphäre herausgearbeitet.
Eine gute und mutmachende Talkrunde.
Ich finde, wir erleben in der gegenwärtigen Krise viel Gutes und Mutmachendes.
Natürlich erleben wir auch das andere: Meckerei, Hetze, ja Gewalt und Jagd auf Polizei und Rettungskräfte.
Wir hören von riesigen Netzwerken von Kinderpornographie, 30.000 Spuren müssen verfolgt werden.
Da ist viel Böses unterwegs.
Diesem Bösen müssen wir widerstehen, Gewalttäter müssen wissen, dass sie mit ihren Taten nicht durchkommen.
Was hat Paulus gemeint, wenn er sagte:
21 Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.
Was hat Jesus gemeint, wenn er sagte, man solle nicht zurückschlagen, sondern die andere Wange hinhalten, und dem, der einem das Hemd nimmt, auch noch das Gewand geben?
Meint er, dass wir alles hinnehmen und schlucken müssen?
Mancher ist ja so erzogen. Sich nicht wehren. Maul halten.
Hat das nicht auch Jesus getan? Wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, tat er den Mund nicht auf.
In der Tat hat Jesus auf bestimmten Strecken seines Weges, besonders seines Leidensweges, sich nicht gewehrt und hat zu falschen Anschuldigungen geschwiegen.
Aber in anderen Momenten hat er sehr wohl den Mund aufgemacht, hat sich gewehrt, widersprochen, meist mit friedlichen Mitteln und ganz selten, indem er mit der Faust auf den Tisch gehauen hat.
Es gibt wohl kein Rezept, was immer anwendbar wäre, keine Verhaltensweise, die für alle Lebenslagen passend ist.
Wir müssen unterscheiden, wann es gut ist, zu schweigen und wann, sich zu wehren.
Was wir aber auch tun:
Wir sollten zuallererst Gott einbeziehen.
Wir dürfen es zuallererst Gott sagen, wenn wir enttäuscht, wenn wir verletzt sind.
Wir können Dinge aussprechen vor ihm
… um sie dann von ihm verwandeln zu lassen, um sie etwas loslassen zu können.
Hass, Bitterkeit, Ärger sollten wir nicht hegen und pflegen, und schon gar nicht an anderen auslassen, sondern an der richtigen Stelle aussprechen. Um so aus der Rolle des Opfers herauszukommen und wieder die eigene Freiheit zu finden.
Wir können Gott Raum geben, in allem, was wir tun.
Das heißt: selbst einen Schritt zurücktreten, Abstand nehmen, damit Gott Platz hat.
Christus hat mit seinem Weg letztlich das Böse besiegt, hat Sünde, Tod und Hölle überwunden.
Wir stehen an der Seite dieses Überwinders, dieses Gewinners.
Als seiner Seite können wir zu Tätern des Guten werden.
Amen
Christoph Huss