Das Veil-Haus (Zinzendorfplatz 7a) wird heute nicht mehr als eigenes Gebäude erkannt. 1869 wurde es durch einen schmalen hohen Verbindungbau mit dem Gemeinlogis (heute „Herrnhuter Haus“) verbunden. Ursprünglich aber war es das zweite Gebäude am Platz und erstes Privathaus, erbaut von dem Kaufmann Philipp Heinrich Veil (1748 – 1828), der als einer der Gründer Königsfeld gilt.
Als Veil im September 1808 nach Königsfeld zog – zunächst in den Gasthof, sein Haus war noch nicht fertig – war er schon 60 Jahre alt und ein erfahrener und leidgeprüfter Mann, wie sein Lebenslauf ausweist. Er stammte aus Schorndorf. Seine erste Frau litt an Depressionen, die sich im Laufe der Jahre verschlimmerten. 13 Jahre betreute er sie selbst, bis er sich genötigt sah, sie in einem „Irrenhaus“ in Ludwigsburg unterzubringen. Dort starb sie 1804 im Alter von 54 Jahren.
Ins neue Haus in Königsfeld zog Veil mit seiner zweiten Frau Susanna Louise Keller. Hier war die lang ersehnte Siedlung der Herrnhuter in Württemberg im Entstehen. Hier wollte Veil nun auch selbst wohnen. Er schreibt: „Die liebe Brüdergemeine hatte ich früher als ein aufgestecktes Licht und als ein Kleinod in der Hand des Weltheilandes kennen und schätzen gelernt, mich viel aus ihren Schriften erbaut, im Glauben gestärkt und mich so innig mit ihr im Geist verbunden gefühlt, dass ich in derselben meine Wallfahrt zu beschließen wünschte.“
Zeitlebens hatte Veil die Nähe von Gleichgesinnten gesucht. Trotz eines christlichen Elternhauses fand er „das gewünschte wahre Christentum“ in seiner Umgebung in Schorndorf nicht. Sein Großvater ebnete ihm schließlich den Weg in ein christliches Handelshaus, das in Verbindung mit der Herrnhuter Brüdergemeine stand. Bei ihr fand er seine geistliche Heimat. Die Verbindungen der Herrnhuter zu Württemberg entstanden schon 1729 und erlebten eine wechselhafte Geschichte mit Höhen und Tiefen. Der „Stuttgarter Bruderrat“ der Herrnhuter hatte die Koordination vor Ort und stand im Kontakt zur dortigen evangelischen Kirchenleitung.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der alte Wunsch nach einer Herrnhuter Siedlung in Süddeutschland wieder lebendig. Veil half, ihn zu erfüllen. 1804 war er zusammen mit dem Diasporaarbeiter Lorenz Nagel auf den Hörnlishof im Schwarzwald gestoßen und hatte den Altvogt Matthias Lehmann aus Mönchweiler, wie er ein Freund der Brüdergemeine, beim Erwerb des Hofes unterstützt. Einmal in Königsfeld ansässig, waren seine Erfahrungen und Beziehungen als Kaufmann von großem Nutzen für die neue Gemeinde. Mit Pfarrer Tschirpe arbeitete er die rechtlichen Grundlagen des Gemeinwesens aus, war bei Verhandlungen mit Behörden dabei und half dem Gemeinladen auf die Sprünge. Nachdem die Unitäts-Ältesten-Konferenz in Herrnhut zugestimmt hatte, durfte sich Veil als erster Privatmann mit seiner Familie in Königsfeld ansiedeln. 1809 war sein Haus fertig. Ein Torbogen verband es mit dem Gemeinlogis. Weil Wohnraum knapp war, nahm er weitere Familien, zeitweise auch die ledigen Brüder, in sein Haus auf. Sein Schwiegersohn verkaufte später das Haus an die Brüdergemeine.
Hat Veil in Königsfeld das wahre Christentum gefunden, dass er gesucht hatte? Der Lebenslauf verrät Ernüchterung und eine überraschende Erkenntnis: erst als er am ersehnten Ort war, habe er erkannt, dass die Gemeinde „ein Krankenhaus sei und ihre sämtlichen Einwohner täglich und stündlich des himmlischen Arztes bedürfen, dass aller Mängel ungeachtet der Heiland sein Regiment in derselben führt und mit allen ihren Mitgliedern seinen seligen Zweck erreicht“.
An seinem Lieblingsplatz über dem Tal des Hörnlebaches pflanzte Veil eine Eiche, die 150 Jahre lang als „Veil-Eiche“ an ihn erinnerte. Sie musste erst dem Ausbau des August-Heisler-Weges weichen. Ein Gemälde aus der Anfangszeit aus dieser Perspektive zeigt die Gebäude des Zinzendorfplatzes. Das Veil-Haus ist schon fertig, der Kirchensaal im Bau.
Christoph Huss (Dachreiter 2019-3)
Details im ausführlicheren Artikel des Verfassers über P.-H. Veil im Dachreiter 2006-2: