Der Füller der Eselin
24.12.2018 (Heiligabend), Ansprache zu Großen Christnacht
24.12.2018 (Heiligabend), Ansprache zu Großen Christnacht
Haben Sie gewusst, dass Esel schreiben können?
In einer Liturgie am ersten Advent stand jedenfalls, Jesus ritt „auf dem Füller einer Eselin“.
Das war natürlich ein Schreibfehler. Es hätte dort Füllen, ein altes Wort für Fohlen, stehen sollen.
Nun stand dort aber Füller, auch ein altes Wort für einen Füllfederhalter, ein Schreibgerät also.
Mit ging das mit dem Füller der Eselin trotzdem nicht mehr aus dem Kopf.
Zwei Fragen gingen in meinem Kopf herum:
Ein Füller ist das Symbol des geschriebenen Wortes. Wir wissen, wie wichtig das geschriebene Wort ist, dass geschrieben werden darf.
Vorgestern war in der Zeitung eine Anzeige mit den Namen aller Journalisten, die im vergangenen Jahr ermordet wurden. Nicht alle Herrscher ertragen eine freie Presse. Denn Worte haben Macht. Die informieren und decken auf, sie machen Mut. Frei reden können, frei schreiben können, ist ein Gut, das immer wieder verteidigt werden muss.
Jesus reitet auf dem Füller, er wird getragen von den Worten, die durch die Jahrhunderte vor ihm über den kommenden Retter und Befreier geschrieben wurden. Die Menschen waren erfüllt von diesen hoffnungsvollen Worten. Ohne all die Verheißungen des Alten Testaments hätte man Jesus Auftreten nicht verstanden.
Jesus reitet sozusagen auf dem Füller, mit dem all diese Worte aufgezeichnet wurden.
Der Evangelist Johannes sagt sogar: Jesus ist das fleichgewordene Wort Gottes, das immer schon schöpferisch tätig war.
Und das Wort ward Fleisch.
In Jesus wird greifbar und sichtbar, was zuvor zur hör- und lesbar war.
Der Schreibfehler von Jesus auf dem Füller der Eselin macht durchaus Sinn.
Die Bibel traut Eseln zwar nicht das Schreiben, aber doch viel zu. Sie haben durchaus etwas zu sagen. Kürzlich war in der Zeitung zu lesen, dass Esel gar nicht dumm und störrisch sind, wie der Volksmund sagt.
Sie sind nur sehr vorsichtig. Sie bleiben sehen, wenn sie eine Gefahr vermuten.
Im alten Testament gibt es die Geschichten von Bileam, in denen die Eselin des Mannes mehr sieht als ihr Reiter. Er sieht den Engel nicht, der den Weg versperrt, weil er auf einem falschen Weg ist, sie sieht ihn wohl. Er will weiter und schlägt das Reittier. Der Mann ist so begriffsstutzig, dass die Eselin am Ende anfangen muss, zu sprechen.
Was hab ich dir getan, dass du mich nun dreimal geschlagen hast? (Num 22, 28)
Für so verständig hält die Bibel Esel.
Am Ende steht ein Esel neben dem Ochsen im Stall an der Krippe mit dem Jesuskind. In den Geburtsgeschichten ist zwar nur von einer Krippe die Rede, aber die Künstler der Weihnachtsbilder haben die passenden Tiere dort hingestellt, auch weil sie sie für so verständig halten.
Sie spielen auf ein altes Prophetenwort an,
Jesaja 1, 3: Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt’s nicht, und mein Volk versteht’s nicht.
Versteht, dass dies euer Herr ist, euer Retter.
Das ist die Botschaft der Eselin, auch wenn das mit dem Füller nur ein Schreibfehler war.
Hier ist euer Herr, hier ist euer Retter: das ist die Botschaft der Eselin.
Amen
Chr. Huss, Königsfeld
Foto: Huss