Lebende und Gestorbene an der Hand Jesu
Ewigkeitssonntag: Ausschnitt aus einer Predigt am 18. November 2018
Ewigkeitssonntag: Ausschnitt aus einer Predigt am 18. November 2018
Gestern war Gottesackereinsatz.
Schön, dass viele mitgemacht haben, um unseren Friedhof vom Laub zu befreien.
Da wird, während man harkt, oder wenn man mal verschnauft, mancher Gedanke ausgetauscht über Dinge, die einem auffallen.
Mir fiel zum Beispiel auf dem ältesten Teil ein Grabstein auf, der noch gut erhalten, aber in drei Teile zerbrochen ist.
Ich hatte den Gedanken: Das Leben sprengt den Tod.
Mein Blick fiel auch auf die Inschrift innen auf dem Gottesackertor, wenn man zum Ortskern zurückgeht. Vor einigen Jahren mußte die Schrift erneuert werden.
Da fragt man natürlich auch, ob man an den Worten etwas ändern soll.
Dort stand das Wort aus unserem Bibeltext in einer altertümlichen Form: „Unser keine lebt ihm selber und keiner stirbt ihm selber.“
Das schien uns gramatikalisch sonderbar und schwer verständlich. Stattdessen steht dort nur der im Text folgende Vers: „Wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“
Mit diesen Worten vor Augen verlässt man den Gottesacker, wenn man in den Ort zurückgeht.
Viele Menschen, die durch dieses Tor in den Ort zurückgehen, haben zuvor eine Beerdigung oder ein Grab besucht.
Auch ich gehe oft durch das Tor, zum Beispiel, wenn ich ein Begräbnis gehalten habe.
Und oft fällt mein Blick auf die Inschrift: „Wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“
Ein Mensch ist gestorben.
Wir haben Abschied genommen.
Am Grab erinnern wir uns.
Bilder werden wach davon, was wir miteinander erlebt haben.
Und dann gehen wir, lassen zurück, schweren Herzens.
Es ist noch eine Verbindung da, aber sie ist anders.
Der Körper, die Hand, die Stimme, sie klingen noch nach,
aber sind nicht mehr greifbar, sind weniger gegenüber, mehr in uns.
Wir lassen jemanden zurück.
Wir gehen getrennte Wege.
Der oder die Verstorbene geht …
ja wohin?
Wir haben eine Idee von dem Licht einen neuen Welt.
Wir haben eine Idee von einer Gemeinschaft mit Gott.
Wir haben eine Idee von Erlösung, Freisein von Schmerz und Angst.
Die Bibel reicht uns Bilder an und Verheißungen.
Es sind Bilder von einen Mahl, einem gedeckten Tisch, einem Fest.
Es sind Bilder von einer Gemeinschaft mit anderen, in der Dinge, die hier eine Rolle gespielt haben, nicht mehr ins Gewicht fallen.
Wer hier einsam war und allein stand, wird es dort nicht mehr sein.
Der Gottesacker sagt dies auch in seiner Gestalt: es zählen keine Standesunterschiede mehr, nicht der Stand des Kontos und nicht der Familienstand.
Die Gemeinschaft ist größer, ist umfassender. Deshalb liegen auf den Gottesacker Bruder neben Bruder und Schwester neben Schwester oder Schwester neben Bruder, so wie sie heimgehen.
Wir haben eine Idee von Ewigkeit.
Kommt die irgendwann?
Oder ist sie schon woanders da?
Ewigkeit ist ja nicht eine ganz lange Zeit, sondern ist die Aufhebung der Zeit. Tausend Jahre sind wie ein Tag. Gottes ewige Gegenwart umfasst schon heute unsere Zeit.
Paulus sagt: Ich habe Lust, abzuscheiden und beim Herrn zu sein. Jetzt.
Jesus sagt: Noch heute wirst Du mir im Paradiese sein.
Die Ewigkeit ist nicht irgendwann, sondern sie umgibt unsere begrenzte, abgemessene Zeit wir eine andere Dimension.
Raum und Zeit sind Begrenzungen für uns, sind Teil der Schöpfung.
Gott ist jenseits dieser Begrenzungen und die Verstorbenen auch.
Das drückt der Text auf den Tor einfach aus: „Wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“
Die Sterbenden sind des Herrn.
Und auch wir, die wir vom Gottesacker wieder in das tägliche Leben zurückkehren.
Auch wir sind des Herrn, gehören ihm, leben von ihm und auf ihn zu.
So gehen wir – die Toten und die Lebenden – zwar getrennte Wege, aber doch jeder an der Hand des Herrn.
Wir zwei Kinder an den Händen der Mutter, das eine links, das andere rechts.
Sie sind getrennt und doch verbunden.
Die Kinder durch die Mutter.
Die Gestorbenen und die Lebenden durch den Herrn.
7 Unser keiner lebt sich selbst, und keiner stirbt sich selbst.
8 Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.
9 Denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende Herr sei.
Wir ahnen etwas von der Gemeinschaft, die selbst die Schranken des Todes überwindet.
Ein tröstliches, ein verbindendes Wort auf diesem Tor.
Foto: Huss