Predigt am 24. August 2025
Markus 12, 28-34
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Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde, in unserem heutigen Evangelium tritt ein Schriftgelehrter zu Jesus – nicht, um ihn zu fangen, wie es so viele andere taten, sondern mit einer ehrlichen Frage: „Welches ist das höchste Gebot von allen?“ Jesus antwortet mit Worten, die jedem Juden vertraut waren – dem Schema Israel aus dem 5. Buch Mose, Kapitel 6: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen und von ganzer Seele und von ganzem Gemüt und mit aller deiner Kraft.“
Und dann fügt Jesus ein zweites Gebot hinzu, aus dem 3. Buch Mose, Kapitel 19: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Der Schriftgelehrte antwortet mit bemerkenswerter Einsicht: „Meister, du hast recht geredet. Und dies zu tun ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer.“ Jesus sieht ihn an – vielleicht mit einem leichten Lächeln – und sagt: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes.“
Liebe Gemeinde, das ist ein Wort! Aber es ist auch ein wenig beunruhigend. Nicht fern vom Reich… aber doch nicht drin. Lassen Sie uns heute gemeinsam mit diesem Schriftgelehrten unterwegs sein – mit diesem Mann, der so nahe ist – und entdecken, was der Heilige Geist uns lehren will über das Herz des Gesetzes, das Geheimnis der Gnade, und was es heißt, ins Reich Gottes zu kommen.
Liebe Gemeinde, das Gesetz ist gut – aber es ist nicht das Reich Gottes. Der Schriftgelehrte verstand das Gesetz tiefgründig. Sein ganzes Leben drehte ja darum, das Gesetz zu verstehen. Er wusste, dass Gottes- und Nächstenliebe höher standen als alle Opfer. Er erkannte, dass wahre Frömmigkeit nicht nur äußerlich ist, sondern aus dem Herzen kommt.
Und damit hatte er recht. Auch Paulus schreibt in Römer 13, dass die Liebe die Erfüllung des Gesetzes ist. Und Jesus selbst sagt im Matthäusevangelium: „An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ Aber das Gesetz zu verstehen – ja, es sogar zu lieben – ist nicht dasselbe wie gerettet zu sein.
Jesus sagt: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes.“ Nicht fern – aber eben noch nicht drinnen. Denn ins Reich Gottes gelangt man nicht durch das Wissen um das höchste Gebot. Nicht durch Zustimmung zu Jesus. Nicht einmal durch ehrliches Bemühen, Gott und den Nächsten zu lieben. Das Reich Gottes wird allein durch Gnade eröffnet.
Und hier kommt Römer 11 ins Spiel. Paulus ringt in Römer 11 mit einer großen Frage: Warum haben so viele seiner jüdischen Brüder – die doch Gesetz, Verheißung und Tempel hatten – den Messias nicht erkannt? Er schreibt: „Ich will euch, liebe Brüder, dieses Geheimnis nicht verhehlen… dass Israel zum Teil verstockt ist, bis die Vollzahl der Heiden eingegangen ist.“ (Röm. 11,25) Und dann folgt ein erstaunlicher Satz: „Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.“ (Röm. 11,32)
Liebe Gemeinde, das ist das Geheimnis der Gnade: Gott hat zugelassen, dass selbst sein Bundesvolk am Gesetz scheitert – nicht, weil das Gesetz schlecht wäre, sondern damit alle – Juden wie Heiden – allein durch Barmherzigkeit gerettet werden: Nicht durch Werke, sondern durch den Glauben an Christus. Am Ende unserer Schriftlesung heute, kann Paulus nur noch anbetend ausrufen: „O welch eine Tiefe des Reichtums, beides der Weisheit und der Erkenntnis Gottes!“ (Röm. 11,33)
Liebe Gemeinde, Jesus erfüllt das Gesetz und öffnet die Tür zum Reich Gottes. Ja, Jesus ist die Tür. Aber zurück zum Schriftgelehrten. Er verstand das Gesetz. Er stimmte Jesus zu. Aber die entscheidende Frage ist: Erkannte er, wer vor ihm stand? Denn Jesus war nicht nur ein kluger Lehrer. Er war der Eine, der gekommen ist, um das Gesetz zu erfüllen.
Wie wir wissen, Jesus liebte Gott mit ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzem Gemüt und aller Kraft – vollkommen. Als Einziger. Jesus liebte den Nächsten – so sehr, dass er für Sünder wie dich und mich am Kreuz starb. Am Kreuz wird offenbar: Das Gesetz kann uns zeigen, wie Liebe aussieht. Aber nur Jesus hat sie vollständig gelebt. Und dann gibt er uns sein Leben – als Geschenk. Darum schreibt Paulus in Römer 11: „Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit!“ (Röm. 11,36)
Das Evangelium ist nicht unser Aufstieg ins Reich. Es ist Jesus, der das Reich zu uns bringt – zu Juden und Heiden, zu Frommen und Gefallenen, zu uns. Wir unterscheiden mit Recht zwischen Gesetz und Evangelium. Das ist ja etwas ur-lutherisches:
- Das Gesetz zeigt uns, was wir tun sollen: Gott und den Nächsten lieben.
- Das Evangelium zeigt uns, was Christus getan hat: Er hat vollkommen geliebt, ist gestorben und auferstanden, um uns mit Gott zu versöhnen.
Das Gesetz kann uns zeigen, wie das Leben mit Gott aussieht – aber es kann uns nicht retten. Nur das Evangelium führt uns wirklich ins Reich Gottes. Darum war der Schriftgelehrte „nicht fern“ – aber er brauchte mehr als Einsicht: Er brauchte den Erlöser selbst.
Und was ist mit uns? Vielleicht fühlen Sie sich heute wie dieser Schriftgelehrte – ehrlich bemüht, moralisch, wissend. Sie versuchen zu lieben. Sie wollen Gott gefallen. Aber die Wahrheit ist: Nah am Reich zu sein ist nicht genug. Wenn Sie auf Ihre Liebe oder Ihre Werke bauen, um gerecht zu sein, stehen Sie noch außerhalb. Aber wenn Sie leer vor Christus treten und sagen: „Herr, erbarme dich meiner, ich bin ein Sünder“ – dann sagt er: „Heute ist diesem Haus Heil widerfahren.“
Wir lieben nicht, um Gnade zu verdienen. Wir lieben, weil wir Gnade empfangen haben. Und wenn Jesus sagt: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes,“ dann lädt er dich ein: Komm ganz hinein – durch den Glauben. Liebe Gemeinde, das Gesetz ist heilig, gut und gerecht. Aber nur Jesus kann Sie ins Reich bringen. Also geben Sie nicht zufrieden mit einem „nicht fern“. Treten Sie ganz hinein – durch die offene Tür des Kreuzes.
Leben Sie im Licht der Gnade. Denn, wie Paulus schreibt: „Von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit. Amen.“ (Röm. 11,36) Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Gerald MacDonald
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