Predigt am 3. August 2025
Johannes 6, 30-35
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Liebe Gemeinde,
Vor einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit an der Teofilo Kisanji Universität in Mbeya, Tansania für ein Semester zu unterrichten. Die TEKU, wie sie sonst genannt wird, ist eine von zwei Universitäten der Herrnhuter Brüdergemeine. Die andere ist in Bethlehem, Pennsylvania in den USA. An der Teku habe ich Studenten der Theologie in drei Fächern unterrichtet: Recherche Methoden, Ethik und brüderische Identität. Darüberhinaus habe ich drei Masters’s Studenten beim Schreiben ihrer Masters Thesis betreut. Es war für mich eine wunderbare Zeit.
Jeder und jede von uns sollte mal die Gelegenheit haben, in einem Entwicklungsland zu leben und arbeiten. Man lernt viel. Ich lernte zum Beispiel, dass obwohl Tee, Kakao- und Kaffeebohnen in der Umgebung von Mbeya angebaut waren, waren Kaffee und Kakao zu teuer für meine Studenten zu kaufen. Sie tranken stattdessen nur schwarzen Tee und Nescafé. Nichts gegen die Schweiz, aber persönlich finde ich Nescafé ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ich mag richtigen Kaffee. Ich mag ihn sehr. Wenn ich ihn zum Frühstück nicht trinke, bekomme ich im Laufe des Tages immer Kopfschmerzen. Und schlechte Laune.
Im Vergleich zu den Studenten an der Universität in Mbeya, war ich reich. Ich konnte richtigen Bohnenkaffee kaufen und habe ihn jeden Morgen beim Frühstück gekocht und getrunken. Dazu aß ich jeden Tag Haferbrei und frischen Obst, das es in Mbeya reichlich gab. An jedem zweiten Tag gönnte ich mir ein Sandwich aus Erdnusscreme und Marmelade.
Eines Morgens, als ich mein Frühstück aß, bekam ich einen unerwarteten Besuch von einem meiner Masters-Studenten. Er wollte mich irgendwas fragen. Weil meine Mutter mich gut erzogen hat, habe ich ihn, er heiß Chuma, eine Tasse Kaffee, einen Schüssel Haferbrei und ein Erdnusscreme und Marmelade Sandwich angeboten. Chuma trank den Kaffee und aß das Frühstück mit ersichtlichem Vergnügen. Nach dem Frühstück ging er nach Hause und ich sah ihn dann später an dem Tag im Unterricht.
Ein paar Tage später stand Chuma wieder vor meiner Tür. Ich war gerade dabei mein Frühstück zu essen. Wie ich es vor einigen Tagen getan hatte, kochte ich dann für Chuma einen richtigen Kaffee, schmierte ihm ein Brot und kochte etwas Haferflocken für ihn. Er war ausgesprochen glücklich.
Und so geschah es, dass Chuma immer wieder einen Grund fand, mich morgens früh aufzusuchen, ausgerechnet zur Frühstückszeit. Ich muss schon sagen, es war schön, nicht allein frühstücken zu müssen.
DenPredigttext für heute finden wir im Johannesevangelium, Kapitel 5, Verse 30 bis 35. Ich lese von der Hoffnung für Alle Übersetzung.
Da sprachen sie zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, auf dass wir sehen und dir glauben? Was wirkst du? Unsre Väter haben Manna gegessen in der Wüste, wie geschrieben steht Ps 78,24: »Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.« Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben. Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot. Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.
Liebe Gemeinde, unser Predigttext heute beginnt mit einer Frage: „Was wirkst du?“ – Es ist die Frage einer hungrigen, vielleicht auch etwas fordernden Menschenmenge. Galiläische Juden, die Jesus nachgefolgt sind, weil sie etwas erlebt haben, das ihre Sehnsucht berührt hat: Sie wurden satt. Satt an Brot. Satt an Wundern. Satt an der Hoffnung, dass da vielleicht einer kommt, der endlich für sie sorgt. Einer, der sie nicht vertröstet mit Worten, sondern ihnen etwas gibt – konkret, handfest, nahrhaft.
Und was macht Jesus? Statt ihnen erneut ein Wunder zu schenken, beginnt er mit einer Rede. Und nicht irgendeiner Rede, sondern mit der Brotrede. Und die beginnt, wie wir heute hören, mit einem Missverständnis. Jesus hatte ihnen Brot gegeben – fünf Brote, zwei Fische, das Wunder der Sättigung. Doch was bleibt? Dankbarkeit? Vielleicht. Staunen über das Zeichen? Bestimmt. Aber etwas später kam der Hunger wieder. Und dann der nächste Wunsch. Die nächste Forderung: „Was tust du? Was gibst du uns? Was wirkst du?“ Ist das falsch? Ist das kleinlich?
Liebe Gemeinde, ich glaube: Nein. Es ist nicht falsch, etwas von jemandem zu fordern, der dir gerade gezeigt hat, dass er es kann. Dass er in der Lage ist, dir etwas zu geben, dass du brauchst. Etwas nach dem du hungerst. Nein, liebe Gemeinde, es ist nicht falsch. Sondern, es ist zutiefst menschlich. Wir alle kennen diesen Hunger. Nicht nur nach Brot. Auch nach Sicherheit. Nach Sinn. Nach Anerkennung. Nach einem Leben, das aufgeht.
Die Menschen, die Jesus hier begegnen, nennt man später im Text „Bauchmenschen“. Das klingt ein bisschen abschätzig und das ist es auch. Aber vielleicht sollten wir dieses Wort rehabilitieren. Denn es sind ja nicht die Zyniker, nicht die Spötter, nicht die Selbstgerechten, die hier fragen. Es sind Menschen mit echtem Bedürfnis. Menschen wie wir. Und weil sie aus ihrer Tradition leben, greifen sie zu einem Vergleich aus ihrer Tradition: „Unsere Väter aßen das Manna in der Wüste – Mose gab ihnen Brot vom Himmel.“
Was sie meinen, ist klar: Mose hat’s gebracht. Tag für Tag fiel das Brot vom Himmel. Kannst Du das auch, Jesus?
Doch Jesus widerspricht. Und drei Dinge stellt er klar:
- Nicht Mose gab das Brot – sondern Gott.
- Und Gott gab nicht nur damals – sondern er gibt heute noch.
- Und: Es geht nicht um irgendein Brot – sondern um das wahre Brot vom Himmel.
Und was ist dieses Brot? Jesus sagt: „Das Brot Gottes ist der, der vom Himmel herabkommt und der Welt das Leben gibt.“
Wir alle verstehen Jesu Aussage als ein Hinweis auf sich selbst. Das Brot Gottes ist der, der von Himmel herabkommt. Brot ist ein neutrales Substantiv und „der“ ist maskulin, also ein klarer Hinweis auf Jesus. Im Griechischen ist es anders. Im Griechischen, Brot ist maskulin. Also, Jesu Wort hier ist zweideutig, das Brot, das vom Himmel herabkommt, könnte zwar ein Hinweis auf Jesus sein, wie wir es verstehen, es könnte aber auch ein Hinweis auf das Manna sein, das die Israeliten in der Wüste vom Himmel bekommen haben.
Aber im nächsten Satz spricht Jesus Klartext: „Ich bin das Brot des Lebens.“ Ein Ich-bin-Wort. Keine Lehre mehr, keine Erklärung. Sondern ein Angebot. Eine Einladung. Ich bin es. Schaut mich an. Die Menschen, die Jesus fragen, wollen ein Zeichen. Eine Kontrolle. Eine Bestätigung ihrer Erwartungen. So wie Mose mit dem Stab vor dem Pharao stand. So wie das Manna in der Wüste fiel. Aber Jesus entzieht sich dieser Logik. Wer ihn verstehen will, muss die Kategorie wechseln. Es geht nicht um ein weiteres Wunder – sondern um eine Beziehung.
„Wer zu mir kommt, wird nicht mehr hungern. Und wer an mich glaubt, wird nie mehr dürsten.“ Das ist keine Vertröstung. Kein „Hauptsache geistlich.“ Sondern ein radikales Angebot: Eine Quelle des Lebens, die tiefer geht als alle äußere Versorgung. Jesus bietet sich selbst an. Wir leben in einer Zeit, die immer mehr Hunger kennt – und damit meine ich nicht nur den Hunger in den Krisengebieten der Welt. Sondern auch den inneren Hunger:
- Nach Zugehörigkeit in einer zersplitterten Gesellschaft.
- Nach Sinn in einer Welt voller Optionen. Qual der Wahl.
- Nach Frieden inmitten persönlicher Krisen und globaler Konflikte.
- Nach Echtheit inmitten virtueller Realität und KI-Fälschungen.
Jesus sagt: Ich bin das Brot. Ich bin das, was ihr wirklich braucht. Nicht im Sinne von „Jesus statt Essen“, sondern: Jesus als die Speise, die Leib und Seele verbindet. Ich möchte heute bewusst für die Bauchmenschen sprechen. Für alle, die Hunger haben. Die vielleicht nicht alles verstehen. Die zweifeln. Die Fragen stellen wie: Was wirkst du, Jesus? Denn die gute Nachricht ist: Jesus stößt die Bauchmenschen nicht weg. Er nimmt ihre Frage ernst. Und er antwortet – aber nicht mit dem, was sie erwarten, sondern mit dem, was sie brauchen. Er gibt sich selbst. Nicht als König, der alle Bäuche füllt. Sondern als Brot, das Leben gibt – das ewige, erfüllte Leben.
Man muss das nicht alles sofort verstehen. Man darf auch staunen, zweifeln, zögern. Aber man darf sich einladen lassen. Zum Kommen. Zum Glauben. Zum Essen. Und auch zum Trinken. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
Gerald MacDonald
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