Predigt am 9. März 2025
Matth. 4, 1 – 11
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Liebe Gemeinde,
Nach dem Bericht des Matthäus-Evangeliums hat Jesus noch kein einziges Wort gesprochen, kein Wunder vollbracht – zuerst, bevor dies alles kommt und sein Dienst beginnt, wird er in der Wüste auf den Prüfstand gestellt. Merkwürdig – muss er getestet werden, ob er auch tauglich ist für seine grosse Aufgabe? Untersucht ausgerechnet der Teufel, ob er ihr gewachsen ist? Das passt ja wirklich nicht in das Bild, das wir vom Gottessohn haben. Aber so berichtet es Matthäus zu Beginn der Tätigkeit Jesu.
Zeugen gibt es keine, er ist allein, so wie später am Kreuz.
Seine Einsamkeit wird noch unterstrichen dadurch, dass sich die drei Versuchungen in der Wüste abspielen, wo Jesus sich vorbereiten will auf seinen Einsatz: 40 Tage Wüste, 40 Tage Fasten. Die Wüste – ein Ort der Entbehrungen, der Bedrohungen, der Ängste, und auch der Gottesferne. 40 Jahre zog das Volk Israel durch die Wüste, scheinbar ohne Ziel und ohne Orientierung, statt gleich das gelobte Land betreten zu können.
Wir alle kennen Wüstenerfahrungen in unserem Leben: Extrem-Situationen, Leere, nichts geht mehr, die Sorgen schlagen über uns zusammen, Gott schweigt. Auch die derzeitige Welt scheint auf eine solche Situation hinzutreiben: Ratlosigkeit, Ängste, Sorgen, kaum ein Ausweg in Sicht, Wüste allenthalben.
Das kann auch bei uns der Nährboden sein für allerlei Versuchungen, auch die, den Glauben an Gott aufzugeben. Versuchungen gehören zu Leben. Im Vater Unser heisst es ja sogar: „Und führe uns nicht in Versuchung…“ als ob Gott selbst der Versucher wäre. Anfällig für Versuchungen aller Art sind wir Menschen, das nutzt z.B. die Werbeindustrie ganz geschickt aus. Da wird uns so manches vorgegaukelt, und wir fallen leicht darauf rein: das grosse Los ist nicht etwa ein erfülltes Leben, sondern vermeintlich ein grosser Lottogewinn. Millionär sollte man sein….
In seinem Roman „Die Brüder Karamasow“, der zur Weltliteratur gehört, lässt der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski den Grossinquisitor fragen: gibt es irgendwo mehr Wahrheit als bei diesen drei Vorschlägen, die der Teufel Jesus macht? Tatsächlich – die drei Versuchungen Jesu in unserer Erzählung sind deshalb so ernst zu nehmen, weil sie genau die wichtigsten unserer menschlichen Schwachstellen treffen.
Jesus hat 40 Tage gefastet, er ist ausgehungert. Der Teufel nutzt dies und schlägt Jesus vor, aus den zahlreichen Steinen der Wüste Brot zu machen. „Du bist der Sohn Gottes, das kannst du doch!“
Jesus antwortet genau genommen ausweichend, aber mit Tiefgang: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von dem Wort, das aus dem Mund Gottes geht.“ Doch, liebe Gemeinde, Hunderte, Tausende, Millionen Menschen leben auch in unserem Land vom Brot allein. Es geht um eine gut funktionierende Wirtschaft, um gerechte Löhne, um Gewinnmaximierung, um den rechten Umgang mit Geld – Gottes Wort spielt im Alltag längst keine Rolle mehr. Nimm dein Leben in deine Hand, das kannst du doch. Mach dir keine Gedanken über die Folgen. Ganz nach Bertold Brecht, könnte man sagen: erst das Fressen, dann die Moral. Wie schnell werden uns die Mittel zum Leben zur Mitte des Lebens! So ist es, und genau diesen wunden Punkt, diese Schieflage versucht der Teufel auch bei Jesus auszunutzen. Es gelingt ihm nicht.
„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein…“ antwortet Jesus. Wir leben, weil Gott uns das Leben schenkt und unser Leben trägt. „Meine Zeit steht in deinen Händen…“ Wenn wir das wissen, dürfen wir dankbar und sorgsam umgehen mit dem, was wir haben. Verglichen mit anderen Ländern und Regionen haben wir viel! Darum können wir auch das, was wir haben, mit anderen teilen. Die evangelische Aktion „Brot für die Welt“ und die katholische Aktion „Misereor“ leben davon, dass wir nicht vom Brot allein leben, und aus diesem Wissen das Brot, das wir von Gott bekommen haben, ohne Angst weitergeben können.
Unser Leben als Christinnen und Christen, unser Leben als Gemeinde hier in Königsfeld darf und soll ein Zeichen sein dafür, dass wir nicht einfach von den materiellen Mitteln leben, sondern vom dankbaren Vertrauen in Gottes Führung und seine Zuwendung zu uns. Gebe Gott, dass uns das immer wieder gelingt!
Der Teufel lässt sich nicht abwimmeln. „Wenn du der Sohn Gottes bist, stürz dich herunter von der höchsten Zinne des Tempels, es wird dir nichts passieren.“ Jesu Antwort: „Stell Gott nicht auf die Probe!“
Auch das weiss der Versucher: so hätten wir Gott gerne, als Erfüllungsgehilfe unserer Wünsche. ich bin krank – Gott, du musst mich jetzt gesund machen! Ich habe einmal erlebt, dass ein Kranker rief: wenn Gott mir jetzt nicht hilft, ist es vorbei mit meinem Glauben! Wir handeln, und holen danach Gottes Zustimmung ein. Wir bauen Waffen, und wollen sie von Gott gesegnet haben. Jetzt, Gott, musst du Frieden schaffen, ist unser Wunsch, nachdem wir Menschen den Karren gründlich an die Wand gefahren haben.
Es gibt so etwas wie ein „halsbrecherisches Gottvertrauen“, mit dem wir Gott unter Druck setzen. Kennen wir das auch? Genau da jedenfalls setzt der Teufel an.
Aber das Vertrauen in Gott ist das genaue Gegenteil. Wir dürfen dem Rat von Paul Gerhardt folgen und Gott „unsere Wege befehlen, (denn) er wird’s wohl machen…“. Oft macht er es ganz anders, als wir uns das gedacht haben, und das kann uns gelegentlich hart ankommen, weil wir uns so manches ganz anders vorgestellt haben. „Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit…“ wollen wir gelassen und ruhig mit Klaus Peter Hertzsch singen.
Der Widersacher gibt nicht auf. Alle Reiche der Welt soll Jesus bekommen, wenn er vor dem Teufel niederfällt und ihn anbetet. Macht, Einfluss, Herrschaft über andere haben – das sind zutiefst menschliche Bestrebungen. Da müssen wir nicht nur an die derzeitigen Weltherrscher denken, sondern an uns: auch wir geraten immer wieder in Versuchung – wir wollen etwas besser, etwas stärker sein als der Mensch neben mir, und unser Glaube ist eben doch der bessere und der richtigere…
Wie oft ist auch die Kirche der Versuchung erlegen, Macht zu bekommen oder mit den Mächtigen einen Pakt zu schliessen, ganz egal wohin die Mächtigen steuerten! Im Dritten Reich gab es die Bekennende Kirche, die versucht hat, beim Bekenntnis zu Gott und Jesus Christus zu bleiben. Leider war sie eine kleine Minderheit, und in Orten wie Königsfeld spielte sie so gut wie keine Rolle, übrigens anders als im benachbarten St. Georgen.
Jesus macht hier deutlich: äussere Macht will ich nicht haben. Mein Kommen in diese Welt soll den Machtlosen, den Hilflosen, den Vergessenen und an den Rand Gedrängten gelten. Wir dürfen ihm darin nachfolgen, wenn wir uns um solche Menschen bei uns kümmern. Nicht Macht, sondern Liebe war seine, ist unsere Devise. 39.000 Obdachlose leben heute nach Schätzungen in der Stadt New York. Die Brüdergemeine bietet 38 von ihnen zu einem symbolischen Preis eine Unterkunft und eine Rückkehr in ein sesshaftes Leben an – ein Tropfen auf den heissen Stein, und doch ein Zeichen in der Nachfolge des machtlosen Jesus.
Liebe Gemeinde, der Teufel, das Böse, ist geschickt, er kennt die Bibel und kennt unsere menschlichen Schwächen. Es ist gut, dass der Widersacher in unserer Erzählung nicht plump und dümmlich daherkommt, denn das ist er nicht, das wissen wir selbst nur allzu gut.
Bei allen seinen Versuchungen geht es ihm um eines, um den Angriff auf das erste Gebot: „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ Dieses Gebot will er zu Fall bringen, und er dabei hat damit bei uns immer wieder Erfolg. Das ist doch die Versuchung bei uns Menschen: dass wir ohne weiteres meinen, mehreren Herren dienen zu können und gross im Vermischen sind.
Ja, wir können Gott dienen und dem Mammon, schauen wir doch unsere Gesellschaft an! Vor achtzig Jahren konnten die Gemeinden „Jesu geh’ voran“ singen und trotzdem einem ganz anderen Führer hinterherlaufen. Wir können vermeintlich den Namen von Jesus Christus, dem Gekreuzigten tragen und mit dem Wort „christlich“ alles Mögliche und Unmögliche rechtfertigen.
Karl Barth, der grosse Theologe des 20.Jahrhunderts, sah in dem „Gott u n d “ – Gott und Geld, Gott und eine Ideologie, Gott und vermeintlich „christliches“ Verhalten und Denken – d i e Gefahr für unseren Glauben.
Jesus konnte dem Teufel mit seinen Versuchungen deshalb standhalten, weil er das Ziel seines Lebens vor sich sah: sein Kreuz und seine Auferstehung. Heute, am ersten Sonntag der Passionszeit, wird uns erneut gesagt: sein Weg ans Kreuz ist unser Heil, sein Tod unsere Rettung aus allen Versuchungen, es ist die Garantie für Vergebung – darum brauchen wir trotz unseren Niederlagen gegenüber Gottes Widersacher den Mut nicht zu verlieren oder gar aufzugeben.
Schliesslich, so erzählt es uns unsere heutige Geschichte: wenn der Teufel geschlagen ist, treten die Engel auf den Plan. Ein Bild, aber ein schönes und hilfreiches, das uns bestätigt, dass uns in unserem Glauben geholfen wird und wir wissen dürfen (mit dem Heidelberger Katechismus): „Dass ich mit Leib und Seele, im Leben und im Sterben nicht mein, sondern meines getreuen Heilandes eigen bin.“ Auch in meinen Versuchungen.
Amen.
Hans-Beat Motel
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