Predigt: Ostern ist nicht vorbei
24. April 2022 (Quasimodogeniti)
Kol 2, 12,13b-14
Lesung: Johannes 20, 19-29
24. April 2022 (Quasimodogeniti)
Kol 2, 12,13b-14
Lesung: Johannes 20, 19-29
Liebe Schwestern und Brüder,
in der frühen Kirche war Ostern der bevorzugte Tauftag. Eine Woche später, also am heutigen Sonntag, kamen die Täuflinge noch einmal in die Kirche, im Taufgewand. Deshalb wohl heißt der Sonntag nach Ostern bis heute in der katholischen Kirche „weißer Sonntag“. An diesem Tag sollten die Getauften noch einmal bewusst angesprochen und für ihren weiteren Weg gestärkt werden. Auch uns soll dieser Sonntag auf unserem Weg stärken und uns zeigen: Ostern ist nicht vorbei.
Stellen Sie sich vor, sie wären am letzten Sonntag getauft worden. In der Osternacht oder am Ostersonntag. Sie hätten den Glauben erst vor kurzem kennengelernt. Zur Taufe haben Sie letzten Sonntag ein weißes Gewand getragen. Heute sollen Sie noch einmal in ihrem Taufgewand in den Gottesdienst kommen. Ich teile ein paar weiße Tücher aus, damit sie sich das gut vorstellen können. Wer möchte eines? Die anderen nehmen einfach den weißen Saal als gemeinsames Taufkleid.
In der evangelischen Kirche heißt der Sonntag „Quasimodogeniti“ – wie die neugeborenen Kindlein. Wie die neugeborenen Kinder im Glauben sollten sich die Getauften fühlen, wie gerade geboren, wie nach einem wunderbaren Neuanfang. Dieser Vergleich des neu erwachten Glaubens mit einem neu erwachten Leben findet sich im neuen Testament immer wieder. Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. So heißt der Wochenspruch aus dem ersten Petrusbrief. Später schreibt Petrus: So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede und seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil.
Heute möchte ich Sie als Getaufte ansprechen, auch wenn die Taufe vielleicht schon etwas länger her ist. Die meisten von uns sind als kleine Kinder getauft. Sie haben danach in einem längeren Weg oder mit einem großen Schritt in den Glauben hineingefunden.
Der Wochenspruch sagt, wir sollen uns als Neugeborene ansehen. Inwiefern sind wir neu geboren? Sind wir durch unseren Glaubensweg, durch Taufe und Glauben ganz andere Menschen geworden? Freundlich, geduldig, immer mit Gott in guter Verbindung, tätig in der Liebe, ohne Trägheit und Müdigkeit, liebevoll zu unseren Nächsten, mit dem richtigen Wort zur rechten Zeit, ohne Neid, ohne Sorge? Kann man es uns ansehen, dass wir ganz neue Menschen sind?
Ich fürchte, nein. Ich fürchte, es kann nicht jedermann sehen, dass wir wiedergeborene Christen sind. Ich fürchte, unsere Eigenschaften sind im Wesentlichen die gleichen geblieben. Vielleicht etwas gemäßigt, zurechtgeschliffen, das wäre schön. Aber reicht das aus, um zu sehen, dass wir ganz neu sind durch Taufe und Glauben? Was ist das Neue an uns?
Einer der Bibeltexte, der vielleicht auch schon früher an diesem Sonntag nach Ostern gelesen wurde, steht in Kolosser 2. Es ist der heutige Predigttext. Ich lese uns einige Verse nach der Übersetzung der Basis-Bibel vor:
12 In der Taufe wurdet ihr mit ihm begraben. Mit ihm wurdet ihr auch auferweckt. Denn ihr habt an die Kraft Gottes geglaubt, der Christus von den Toten auferweckt hat.
13… Gott hat euch zusammen mit Christus lebendig gemacht, indem er uns alle Verfehlungen vergeben hat.
14 Er hat den Schuldschein getilgt, der uns belastete – … Er hat ihn ans Kreuz angenagelt und damit beseitigt.
Dieser Abschnitt aus dem Kolosserbrief beschreibt, was anders ist an der Person, die glaubt und getauft ist. Es sind zwei Dinge.
Das ist die tiefe Symbolik der Taufe. Ein Mensch taucht in das Wasser, etwas Altes vergeht. Und er taucht wieder auf zu etwas Neuem. Ich weiß nicht, ob sich einige von Ihnen an die Taufliturgie der Brüdergemeinde erinnern. Dabei halten an einer bestimmt Stelle Pfarrer, Eltern und Paten die Hände über den Täufling Ursprünglich wird dadurch das Vergeben des alten und das Werden des Neuen Menschen veranschaulicht, indem der Liturg spricht: So hast du nun durch die Taufe Anteil an seinem Tod, und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so hast auch du Teil an seinem neuen Leben.
Was ist das Neue an denen die getauft sind und glauben? Irgendetwas an uns? Nein. Das Neue ist Christus, Christus an unserer Seite, bei uns, in uns. Oder wie es im nächsten Satz der Taufliturgie der Brüdergemeine heißt: Und nun lebe, doch nicht du, sondern Christus lebe in dir. Das Neue an denen, die glauben und getauft sind, ist Christus, ist unsere Gemeinschaft mit ihm und mit dem Vater. Das ist etwas, was wir wissen und was Gott weiß, auch wenn es niemand sieht. Wenn etwas anders wird, dann dadurch, dass sich unser Lebensschwerpunkt nach außen verlagert, auf Gott hin. Gott wird aktiv. Das ist das Neue.
Das, was an Karfreitag und an Ostern für alle Menschen geschah, wird jedem einzelnen in der Taufe zugeeignet. Deshalb ist Ostern so ein wunderbarer Tauftermin. Darum ist umgekehrt dieser Sonntag nach Ostern so ein wunderbarer Tag, um sich an die eigene Taufe zu erinnern, in der wir mit verbunden wurden mit dem Tod und der Auferstehung von Jesus.
Luther hat sich gerne in schwierigen Momenten in Erinnerung gerufen: ich bin getauft auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Ich gehöre zu ihm. Ich bin Teil des neuen Lebens, das Gott in der Auferstehung von Jesus ans Licht gebracht hat. Wir müssen den alten Adam täglich ersäufen, weil wir unter menschlichen Gesichtspunkten noch die alten sind. Aber in Gottes Augen sind schon Teil des neuen Lebens. Diese Wirklichkeit wird einst ganz zu Tage treten, aber sie gilt auch schon jetzt.
Wie fühlt sich das Taufgewand an? Sie dürfen es gerne behalten oder über die Banklehne hängen, dann kann es sich ein anderer nehmen. Ich kann auch noch gerne weitere Streifen von dem Ballen abschneiden, falls jemand für sich diese Erinnerung möchte: Ostern ist nicht vorbei, Christus lebt und er lebt in uns. Er weiß es, wie wissen es. Manchmal erfährt es auch ein anderer, weil wir es ihm sagen oder weil er es spürt.
Amen
Christoph Huss