Jesus hilft vom Kreuz
15.04.2022 (Karfreitag)
Lk 23, 33-49
15.04.2022 (Karfreitag)
Lk 23, 33-49
Lesung Joh 19, 1-18
Liebe Schwestern und Brüder!
Sie haben Jesus gekreuzigt. Festgenagelt ist er am Kreuz. Die Spötter sagen. Wollte er nicht die Welt bewegen?
Seine Anhänger sagten, er sei der erhoffte Befreier. Sie können das alles nur schwer verstehen. Ist er nicht der Befreier Israels und der Retter der Menschen?
Und nun: ist er genauso wehrlos, wie wir es oft sind, gegenüber Gewalt, gegenüber Ungerechtigkeit und Terror, gegenüber menschlichen Fehlentwicklungen. Wie können wir das verstehen? Wie soll uns das retten?
In der Aussegnungshalle in Buchenberg hängt ein Kreuz. Es stammt von dem Königsfelder Bildhauer Emil Jo Homolka. Viele werden es kennen. Es ist eine Darstellung des Gekreuzigten, bei der Christus einen Arm vom Kreuz löst und seine Hand ausstreckt nach dem, der unter dem Kreuz steht. Emil Homolka nimmt hier ein Motiv der zisterziensischen Christusmystik auf, das auch Oskar Kokoschka in seinem berühmten Plakat aus dem Jahre 1945 verwendet, zur Erinnerung an die Kinder Europas, die vor Kälte und Hunger sterben.
Die Darstellung des Gekreuzigten ist ungewohnt. Christus hängt nicht wehrlos am Kreuz, eine Hand ist gelöst, ausgestreckt zu den Menschen. Zu uns. Die Hand ist, als wolle er uns ergreifen, herausziehen, emporziehen.
Jesus hilft vom Kreuz herab. Tut er das nicht auch wirklich, trotz seiner äußerlichen Ohnmacht?
Er hilft, indem er durchleidet, indem er schweigt und indem er redet. Seine Worte am Kreuz, sind sie nicht wie jene Hand, die die Menschen ergreift, um sie herauszuholen und zu retten?
Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!
Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.
Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!
Der Bildhauer hält fest, was Jesus gelebt und in seinen Worten am Kreuz ausgesagt hat. Er macht deutlich, dass hier einer stirbt, der herausholen und retten will.
Ja, ist dies nicht die ganze alte Geste Gottes, der sich ein kleines Volk erwählt, es herausführt aus der Knechtschaft, der 10 Worte des Lebens gibt, immer wieder ruft und einlädt? Jesus hat daran erinnert, als er mit seinen Jüngern das Passahmahl feierte, das Mahl der Befreiung und gesagt: mein Blut stiftet einen neuen Bund, mein Tod ist eine zweite Befreiung, ich bringe euch heraus zu neuem Leben im Frieden mit Gott. So rettet er, hilft vom Kreuz herab.
Der Christus in der Darstellung von Homolka ist kein ohnmächtig sterbender Christus. Eine Hand ist frei, ein Leidender hilft den Leidenden. Es braucht nicht große Macht, um helfen zu können. Es reicht das Wort, das rettet und heraushilft. Schon die bloße Hinwendung, dem eigenen Leiden zum Trotz, deutet die richtige Richtung an.
Ist es nicht oft gerade dies, was nötig ist: einer oder eine, die da ist, ohne schon eine Lösung parat zu haben. Jemand, der das Leiden teilt und es aushält. Der die Ratlosigkeit und die Ohnmacht aushält. Wenn mehr nicht möglich ist, wenn nicht mehr drin ist, ist dies das Nötige und Mögliche.
Christus hilft vom Kreuz herab. Sein Leiden und Sterben am Kreuz ist Hilfe, ist Rettung für die unter dem Kreuz. Dies Schicksal ist Gottes ausgestreckte Hand zu den Menschen.
In ihm hat er auch uns ergriffen. Hat uns erlöst, bei unserem Namen gerufen, sein sind wir. In dem Gekreuzigten hat Gott uns mit sich versöhnt. Die Hand ist eine Einladung: Lasst euch versöhnen mit Gott.
Das menschliche Auge sieht am Kreuz einen, der festgenagelt ist und keinem mehr hilft. Der Glaubende aber sieht die ausgestreckte Hand Gottes und ergreift sie.
Amen
Christoph Huss