Eigenlob oder Gotteslob?
Predigt 13. Februar 2022 (3. Sonntag vor der Passionszeit Septuagesimae)
Predigttext Jeremia 9, 22-23
Predigt 13. Februar 2022 (3. Sonntag vor der Passionszeit Septuagesimae)
Predigttext Jeremia 9, 22-23
Liebe Gemeinde,
wenn ich an meine Kindheit denke, dann kommt mir der Satz meiner Mutter immer wieder ins Gedächtnis, wenn wir Kinder anfingen, mit unseren Leistungen anzugeben. Meine Mutter sagte dann: Denkt ja nicht, dass ihr etwas besseres seid. Dieser Satz ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Sicher kennen Sie / kennt Ihr auch solche Sätze.
In der Ausbildung zur Kinderdiakonin in Wolmirstedt bei Magdeburg hat uns unser Dozent Prof. Baltzer mit auf den Weg gegeben: „Wenn ihr später mal Kinder habt oder auch mit Kindern im Beruf umgeht, dann sagt nie, dass ihr stolz auf sie seid, sondern, dass ihr euch über die Erfolge der Kinder mitfreut.“
Der Predigttext heute zeigt uns, worauf wir stolz sein sollen.
22 So spricht der Herr: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
23 Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der Herr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der Herr.
(Lutherbibel 2017)
Diese beiden Sätze haben es in sich. Vor allen Dingen, weil sie so gar nicht in unsere gegenwärtige Gesellschaft passen. In Bewerbungen wird gefordert, dass die Bewerberin sich möglichst so schriftlich mit allen Fähigkeiten präsentiert, dass nur sie oder eben er für diesen Posten infrage kommt. Ist dann die nächste Hürde genommen und das Vorstellungsgespräch steht an, dann zeigt der Bewerber sich nur von seiner besten Seite äußerlich und innerlich – sich nur keine Blöße geben. Und er oder sie müssen nun alles geben, es geht ja schließlich um einen Ausbildungs- , einen Studienplatz oder einen Job.
Die Werbung hat die Präsentation von makellosen Menschen schon lange erkannt und zeigt möglichst nur schlanke bis magersüchtige junge Erwachsene ohne jede Falte, Brille oder Flecken. Und wenn das Original dem nicht entspricht, wird sie oder er entweder aussortiert oder die Glanzbilder werden retuschiert.
Auch in der Kirche ist es angekommen, dass es wichtig ist, sich gut darzustellen – und Schwächen oder Fehler erst dann einzuräumen, wenn es gar nicht mehr anders geht.
Ja, es braucht auch Menschen mit den besonderen Begabungen und Fähigkeiten. Was wäre die Medizin ohne ihre Forschungslabore und ihre wunderbaren Errungenschaften z. B. in der Krebsforschung oder auch im Reagieren auf ungewöhnliche neue Pandemien. Wir profitieren alle von ihrem Wissen und den Ergebnissen. Was wäre unsere Predigtversammlung ohne den freundlichen Saaldienst, der alle Willkommen heißt und beim Suchen der Plätze hilft? Was wäre der Predigtgottesdienst ohne die musikalische Begleitung der Bläser und der Orgel? Diese Liste ist längst nicht vollständig.
Es ist gut, dass wir Begabungen und Fähigkeiten haben. Das ist unbestritten. Aber der Prophet Jeremia weist uns darauf hin, von wem wir diese Gaben bekommen haben. Wir haben sie nicht aus uns selbst, sondern Gott hat sie uns mit auf unseren Lebensweg gegeben. Sie sind sein Geschenk an uns. Und so, wie wir Geschenke zum Geburtstag auspacken, so können und sollen wir auch unsere Gaben zur Entfaltung bringen. Und im Laufe des Lebens kommen immer wieder neue zum Vorschein. Aber sie sind eben eine Gottesgabe. Es kommt darauf an, wie wir damit umgehen, als Eigenlob oder als Dank Gott gegenüber.
Gott zu danken, dass kommt in unserer Gesellschaft immer weniger vor. Und da können wir von unseren Mitmenschen aus den arabischen Ländern lernen. Wir hatten 2015 die Möglichkeit, in unserer Familie einen syrischen jungen Mann namens Shadi für ein halbes Jahr aufnehmen zu können. Wir haben in dieser Zeit viel voneinander gelernt. Etwas ganz wesentliches ist mir dabei im Gedächtnis geblieben. In seiner Sprache gibt es das Wort: inschallah – so Gott will. Er hat es jedem Satz vorangestellt. Bei jeder Verabredung, bei jedem Krankenbesuch, ja sogar bei jedem Gute- Nacht sagen war dieses Wort da – so Gott will.
Wir dürfen und können Gottes Botschafter sein und unseren Glauben an ihn leben. Wir haben die Religionsfreiheit in unserem Land. In anderen Ländern werden Christen verfolgt, wenn sie sich zum Herrn bekennen. Und trotz der Freiheit, die wir in unserem Land haben, nimmt der christliche Glaube mehr und mehr ab. Wir kommt das? Geht es uns zugut oder meinen wir, dass wir alles aus uns selbst heraus schaffen können? Ich weiß es nicht.
Jeremia zählt uns drei Verhaltensweisen von Gott auf: Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit.
Gott begegnet uns mit Barmherzigkeit. Er liebt uns auch dann, wenn uns nicht immer alles gelingt. Wenn ein Vorstellungsgespräch völlig danebenging, dann sind wir ihm trotzdem wertvoll. Wenn wir nicht mit Modellmaßen durchs Leben gehen, dann lässt er uns nicht links liegen.
Er sieht viel tiefer in uns hinein, als es Menschen können. Seine Gerechtigkeit ist eine ganz andere als unsere. Davon erzählt die Bibel an vielen Stellen. Eine davon ist ein Lesungstext von heute aus dem Matthäusevangelium im 20. Kapitel. Da geht es um die Arbeiter im Weinberg und um ihre Entlohnung. Die Arbeiter haben zu ganz unterschiedlichen Zeiten ihre Arbeit im Weinberg aufgenommen. Als es am Ende um die Auszahlung des Lohnes ging, da war es schwer für sie zu verstehen, warum sie alle den gleichen Lohn bekamen, obwohl einige den ganzen Tag und einige nur eine Stunde mitgeholfen hatten. Am Ende bekamen aber alle das, was der Weinbergbesitzer mit ihnen ausgemacht hatte. Und alle hatten genug.
Auch hier zeigt sich, dass Gott ganz andere Maßstäbe anlegt, als wir Menschen das tun. Und obwohl er uns viel gegeben hat, schauen wir oft neidisch auf den anderen, der in unseren Augen so viel mehr hat, als wir selbst.
Lasst uns unsere Talente, Begabungen und Fähigkeiten erkennen und einsetzen. Lasst uns freuen an dem, was der oder die andere an besonderen Gaben hat und zur Entfaltung bringt.
Gott hat uns diese verschiedenen Gaben gegeben und wir dürfen und wollen ihm dafür dankbar sein und ihn loben.
Wir wollen bei den täglichen Begegnungen nicht nur über das Wetter reden. Auch die weltpolitischen Ereignisse sind bedrohlich und können uns Angst machen, ja das ist besonders jetzt in Russland und Ukraine-Konflikt so spürbar deutlich nah.
Wir wollen aber auch über unseren Glauben an Gott reden und den Halt, den er uns gibt. Das hilft in dieser schwierigen Zeit und trägt uns. Im täglichen Reden mit Gott können wir unser Herz ausschütten und ihn bitten, dass Putin und Lukaschenko doch ihren Kurs ändern und ein drohender Krieg abgewendet werden kann.
Lasst uns Gott loben mit unseren Liedern. Wir singen: Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren.
Gabriele von Dressler